Koha/Migration der Stadtbibliothek Treuchtlingen von WinBIAP zu Koha
Der folgende Bericht erschien im Newsletter "Neues von Admin Kuhn (November 2015)".
Die Stadtbibliothek Treuchtlingen arbeitete bisher mit dem veralteten Bibliothekssystem WinBIAP 4.0.1, ohne OPAC. Nach einer im Herbst 2014 durchgeführten Koha-Präsentation vor Ort und der Beantwortung von Fragen der Bibliothek sowie des Bibliotheksverbands Mittel- und Oberfranken erteilte mir die Stadt Treuchtlingen im Frühjahr 2015 den Auftrag, die Stadtbibliothek von WinBIAP zu Koha zu migrieren.
Damit sollte nicht nur auf ein zeitgemässes Bibliothekssystem gewechselt und die Kostensituation verbessert, sondern gleichzeitig auch die Open Source-Strategie der Stadt Treuchtlingen unterstützt werden, welche schon 2002 auf nicht-Windows Thin Clients wechselte.
Rechner und grundlegende Software
Als Grundlage für Koha dient eine virtuelle Maschine auf Grundlage von LXC mit acht Prozessoren, 32 GB Arbeitsspeicher und 50 GB Festplattenplatz (gefordert waren allerdings lediglich 2 Prozessoren, 4 GB Arbeitsspeicher und 25 GB Festplattenplatz). Darauf installiert ist das Betriebssystem Debian GNU/Linux 8 (64-bit), welches einen kostenlosen "Long Term Support" bis April 2020 bietet und über eine einfach bedienbare Online-Aktualisierung verfügt.
Als Datenbankserver kommt MySQL 5.5.44 zum Einsatz, als Webserver für die Dienstoberfläche und den OPAC von Koha dient der Apache HTTP Server 2.4.10. Als Bibliothekssystem schliesslich wird das im Mai 2015 veröffentlichte Koha 3.20 verwendet.
Grundkonfiguration
Für Dienstoberfläche und OPAC wurden die Sprachen Deutsch, Englisch und Französisch eingerichtet, auf die der Nutzer jederzeit selber umschalten kann.
Als Teil der Datenmigration wurden einige grundlegende Werte aus dem bisherigen WinBIAP-System händisch nach Koha übernommen und auf die neuen Erfordernisse angepasst, um das Arbeiten mit Katalogisierung und Ausleihe möglichst wie bisher gewohnt weiterführen zu können.
Konfiguration Ausleihe
Übernommen wurden unter anderem die Benutzer- und Medientypen. Zusätzlich waren die verfügbaren Systemparameter daraufhin zu prüfen, ob diese allenfalls für die Bibliothek nützlich sein könnten. Neu einzutragen waren die benutzer- und medientypabhängigen Regeln für Ausleihen und Gebühren sowie die die von der Bibliothek gewünschten Texte für Quittungen, Mahnbriefe und sonstige Benachrichtigungen. Zusätzlich wurde eine Cronjob-gesteuerte Ausleihstatistik erstellt.
Schliesslich konnte auch der Webbrowser Mozilla Firefox (unter Debian mit Namen "Iceweasel") so konfiguriert werden, dass das Ausdrucken auf einen Quittungsdrucker des Typs Epson TM-T88IV möglich wurde. Ebenso wurde Koha für den millimetergenauen Ausdruck von Signaturrückenschildern und Strichcodes auf Etiketten konfiguriert, welche auf die auszurüstenden Medien geklebt werden sollen.
Konfiguration Katalogisierung
Die für die Katalogisierung übernommenen Stoffkreise wurden bei dieser Gelegenheit gleich vermindert und als normierte Werte angelegt. Aufgrund der tatsächlich benötigten MARC-Felder wurde ein für die Bibliothek passendes MARC-Framework (also eine Erfassungsmaske für den Katalog) angelegt.
Neben der Einstellung der benötigten Systemparameter wurde ein Z39.50-Zugang auf die B3Kat-Datenbank von BVB und KOBV eingerichtet. Damit kann die Stadtbibliothek jederzeit dort vorhandene Titeldaten direkt in den eigenen Katalog übernehmen.
In der Dienstoberfläche wurde zudem ein Link zur umfangreichen Allgemeinen Systematik für Öffentliche Bibliotheken / ASB angelegt, welche vom Bibliotheksverband Mittel- und Oberfranken zur Klassifikation der gelieferten Medien verwendet wird und welche auch weiterhin bei der selbständigen Erfassung von Medien verwendet werden soll.
Konfiguration OPAC
Im bisher eingesetzten Bibliothekssystem WinBIAP war kein OPAC enthalten, sodass hier mit Koha eine wesentliche Verbesserung für die Benutzer eingeführt werden konnte.
Die Konfiguration des OPAC erfolgte grundsätzlich über die verfügbaren Systemparameter, womit unter anderem die gewünschten OPAC-Funktionen (Amazon-Coveranzeige, Lesehistorie im Benutzerkonto, Daten-schutz, Selbstregistrierung, Merklisten, Virtuelles Bücherregal usw.) aktiviert wurden.
Neben den über Systemparameter möglichen OPAC-Gestaltung wurden für weitergehende Wünsche auch Änderungen im Dateisystem gemacht. Einerseits wurde der OPAC im Sinne des Corporate Design an die Farben der Stadt Treuchtlingen angepasst. Zum anderen wurden beispielsweise bestimmte Datensätze mit dem Antolin-Raben gekennzeichnet und die Darstellung der Titelinformationen leicht verändert.
Datenmigration
Als zu migrierende Daten wurden die folgenden Datenarten bestimmt:
- Benutzerdaten
- Normdaten (Schlagwörter)
- Titel- und Exemplardaten
- Ausleihdaten
Da in WinBIAP kein brauchbares Exportformat vorhanden war, wurden sämtliche in der zugrundeliegenden Centura SQL Server-Datenbank vorhandenen Tabellen entladen. Nach einer eingehenden Analyse wurden die Tabellenfeldinhalte in einer Konkordanz den in Koha verfügbaren Feldern zugeordnet und entsprechende Migrationsskripte für die einzelnen Datenarten geschrieben.
In Zusammenarbeit mit der Bibliothek wurden bei dieser nicht so schnell wiederkehrenden Gelegenheit umfangreiche Datenbereinigungen händischer und automatischer Art vorgenommen.
Die vorhandenen Titeldatensätze wurden ausserdem mit zusätzlichen Daten angereichert - so wurden beispielsweise sämtliche Medien daraufhin geprüft, ob passende Fragesätze bei Antolin vorhanden waren, und wenn ja die Titeldaten mit den entsprechenden Links versehen, welche dann sowohl im OPAC wie in der Dienstoberfläche mit dem zu Antolin verlinkenden Raben gekennzeichnet wurden.
Benutzerdaten
Die hauptsächlich in der WinBIAP-Tabelle "LESER" vorliegenden Benutzer-daten wurden von unerwünschten Zeichen gesäubert, in UTF-8 umgewandelt und in die von der Koha-Tabelle "borrowers" vorgegebene Reihenfolge gebracht.
Anschliessend konnten die nun im CSV-Format vorliegenden Daten der rund 1'500 Benutzerdatensätze über den Benutzerdatenimport in Koha geladen werden.
Normdaten
Unter WinBIAP waren weder Personen-, noch Körperschafts-, noch Schlagwortnormdaten vorhanden. Um dem bisherigen Wildwuchs bei den Schlagwörtern zu begegnen wurde beschlossen, künftig eine Schlagwortnormdatei aus 200 Begriffen zu verwenden.
Diese Begriffe wurden in MARCXML umgewandelt und in Koha geladen.
Titel- und Exemplardaten
Die hauptsächlich aus den WinBIAP-Tabellen "KATALOG" und "MEDIEN" extrahierten Titel- und Exemplardaten wurden von unerwünschten Zeichen gesäubert, in UTF-8 umgewandelt und mit Hilfe eines selbst geschriebenen Konverters feldweise in MARCXML umgesetzt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch vielfältige Bereinigungen der Daten durchgeführt, um eine homogenere Darstellung zu erreichen.
So konnten schliesslich alle 13'600 Titelaufnahmen im Format MARC 21 in Koha geladen und danach mit den Schlagwortnormdaten verlinkt werden.
Ausleihdaten
Abschliessend wurden die rund 1'500 relevanten Ausleihdatensätze (Ausweis- und Strichcodenummer, Fälligkeits-, Ausleih-, Rückgabedatum usw.) aus der WinBIAP-Tabelle "AUSLEIHE" extrahiert und so umgewandelt, dass sie in die Koha-Tabelle "issues" geladen werden konnten.
Als Beispiel für das Endergebnis wird hier ein migrierter Titeldatensatz samt Exemplardaten gezeigt, wie er über die sogenannte "Normalansicht" der Dienstoberfläche zu sehen ist.
Fazit
Die Stadtbibliothek Treuchtlingen ist eine der ersten Öffentlichen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum, welche zu Koha wechseln.
Für mich als Dienstleister war insbesondere einmal mehr interessant zu sehen, wie sehr sich die vorhandenen Datenbestände und die Anforderung an ihre Aufbereitung von Bibliothek zu Bibliothek unterscheiden. Von den Bibliothekssystemen gar nicht zu reden... Jedoch konnten während der rund vier Monate dauernden Migration schliesslich alle Fragen geklärt werden und das Bibliothekspersonal nach einer zweitägigen Schulung vor Ort am 28. September 2015 in den produktiven Betrieb übergehen.
Im Rahmen eines Dienstleistungskontingents werde ich der Bibliothek auch künftig für Fragen, Hilfestellungen und die Umsetzung weiterer Anpassungen zur Verfügung stehen. Bereits im Raum steht beispielsweise der Wunsch der Stadtkasse nach einer ihren Anforderungen entsprechenden Aufbereitung der Gebührendaten.